
Die Nieren - Das Organ der Individualisierung
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Die Organe des Menschen sind
einerseits abgeschlossene Gebilde, die sich in ihrer Funktion unterscheiden. Andererseits
sind sie vor allem auf dem Blut- und Nervenwege miteinander verbunden. Die
Organe verhalten sich ähnlich wie die Teile einer Herde. sie sind relativ
selbständig, ordnen sich jedoch dem Gesamtorganismus unter.
Dieses
Zusammenspiel macht die Medizin spannend und lässt das Analysieren der
Symptomauslöser zu einem Krimi werden. So, wie die Milz der Energiebringer der Bauchspeicheldrüse
ist, finden wir häufig die Knoten der Gebärmutter später auch in der Schilddrüse
wieder. Die Wut der Galle macht einen dicken Hals, lässt die Schilddrüse
anschwellen und verändert die Stimme.
In diesem Beitrag gehe ich auf verschiedene Aspekte der Niere ein, beschreibe die wichtigsten Laborparameter, zeige mögliche Wege zur Gesundung auf und erläutere, warum die Niere das Organ der Individualisierung ist.
Entwicklung der Nieren
Während der
Embryonalzeit entwickelt sich die Niere als einziges Organ an drei
verschiedenen Orten. Sie beginnt im Halsbereich und wandert über die Brust ins
Becken, um dann wieder zu ihrer eigentlichen Position hochzusteigen. In der
Medizin nennt man diese drei Stationen: Vor-, Ur- und Nachniere. Mir ist in der
Praxis aufgefallen, dass Menschen mit einer Nierenschwäche häufig auch das
Problem haben, „ihren“ Ort zu finden. Sie wandern umher und suchen ihr eigenes,
inneres Zuhause. Unterwegs und an anderen Orten fühlen sie sich meistens
wohler. In der Homöopathie wird dieses Phänomen als „Reisen bessert“
beschrieben.
Anatomische Analogie
Vergleichen wir im Kopfbereich Ohren, Ohrtrompete (Eustachische Röhre) und Rachen mit Nieren und Blase, ist eine ähnliche
Anatomie unverkennbar.
Aufgabe der Nieren
Die Nieren
werden in der Literatur allgemein als „das Ausscheidungsorgan“ dargestellt. Denn
in den unzähligen, feinen Nierenkanälchen herrscht reges Treiben. Hier wird
aufgenommen, gefiltert, abgegeben, sortiert, wiederaufbereitet oder
ausgeschieden. Das entstandene Konzentrat wird von der Blase aufgesogen und als
Urin ausgeschieden.
Dabei haben die
Nieren mit der Ausscheidung direkt nichts zu tun. Diese obliegt dem
Eisenstoffwechsel. In den Glomeruli werden die kapillären Gefäßknäuel durch die
Kraft des Eisens wie ein Schwamm ausgepresst. Auf diese Weise entstehen täglich
etwa 170 Liter Ultrafiltrat. Bei einer Urinmenge von 2 Litern täglich werden
infolgedessen 168 Liter wieder in das Interstitium (Zellzwischenraum) und das
Blut zurückgenommen. Das sind 99% der Ultrafiltratmenge.
Die Aufgabe der
Nieren ist es, festzustellen, welche Substanzen der Stoffwechsel für den Aufbau
und zur Energiegewinnung benötigt. Sie entscheiden darüber, welche Mineralien,
Vitamine, Spurenelemente etc. der Organismus benötigt und somit nicht
ausgeschieden werden dürfen.
Bei genauer Betrachtung
dieser Tätigkeit wird deutlich, dass die Nieren sich der Rückresorption widmen.
Unterstützt werden sie dabei vom Kupfer, dem Metall, das diesen Prozess ermöglicht.
Der Focus der Nieren liegt somit nicht auf das, was ausgeschieden werden soll,
sondern darauf, was der Organismus an Substanzen noch benötigt. Wir bestehen
also aus dem, was wir dem Körper an Nahrung zugeführt und die Nieren
rückresorbiert haben. Diese Substanzen machen unsere körperliche Individualität
aus.
Eisen und Kupfer
In der anthroposophischen Medizin steht Eisen für „entgiftet von Fremdem“ und Kupfer für „Integration von Fremdem“.
Im vertikalen
Weltbild sowie in der geisteswissenschaftlichen Darstellung ist die Niere der
Venus und dem Kupfer zugeordnet. Sie überprüft die Substanzen im Blut. Kupfer
ist immer im Verhältnis zum Eisen zu betrachten. Ein Kupfermangel kann durch zu
wenig Kupfer, aber auch durch zu hohe Eisenwerte entstehen (relativer
Kupfermangel). Kupfermangelsymptome gehen fast alle mit Verkrampfungen, wie
beispielsweise Asthma, Magen- oder Darmkrämpfen einher. Eines der großen Mittel
bei Asthma, Renes Cuprum (Wala), beschreibt Dr. Vogel ausführlich in
seinem Buch Wege der Arzneimittelfindung. Ich habe in meiner Praxiszeit
vielen Kindern helfen können, die mit ihren obstruktiven Bronchitiden zu mir
kamen. Renes Cuprum war immer das zentrale Mittel in der Behandlung. Verordnet
wurden 50 Ampullen Renes Cuprum. Diese wurden entsprechend dem
Behandlungsschema in Abbildung 3 oral eingenommen.
Der Nierenmeridian
Der
Nierenmeridian beginnt direkt unter der Fußsohle. Kalte Füße sind häufig der
Ausgangspunkt für Blasenentzündungen oder Erkältungen. In der asiatischen
Medizin werden die Nieren als „Winterorgan“ betrachtet. Es ist die Zeit der
Regeneration für Mensch und Natur, um Kräfte für das Frühjahr zu sammeln. Auf
den Tag bezogen liegt die maximale Nierenaktivität zwischen 17 und 19 Uhr. Nach
getaner Arbeit steht die Erholung im Vordergrund, um für den kommenden Tag neue
Kräfte zu sammeln. Daher eignet sich die Feierabendzeit ideal für ein
ansteigendes Fußbad. Ihr Energietief haben die Nieren morgens zwischen 5 und 7
Uhr.
Die Fernbeziehung der Nieren
Nach den Erkenntnissen der chinesischen und anthroposophischen Medizin reguliert die Niere den Luftorganismus. Störungen zeigen sich durch Blähungen, Asthma, Ohrensausen, Tinnitus, Hörsturz und Nasennebenhöhlenentzündungen.
Die Niere steht auch in einem engen Zusammenhang mit der Statik des Körpers und dem Knochensystem. Diesen Zusammenhang finden wir in der Wirbelsäule wieder, unserem „Rückgrat“. Damit ist die anatomische Funktion der Wirbelsäule an die Nierenfunktion gebunden.
Knochen und Nieren haben einen Bezug zu Silicium. Es bringt Stabilität, Struktur und Klarheit auf körperlicher und seelischer Ebene. In der Pflanzenwelt finden wir diese Substanz unter anderem im Schachtelhalm (Equisetum arvense) und im Bambus. Das vegetabilisierte Silicium hat den Vorteil, dass es kleinmolekularig ist und vom Stoffwechsel leicht und schnell resorbiert werden kann. Zur Stabilisierung des Knochens, des Bindegewebes und zur Unterstützung des Funktionskreises Niere/Blase verwende ich gerne die Mikronährstoffkombination MATRIX ACTIV von NewLife nutrition.
Der
Nierenfunktionskreis wird auch als die Eintrittspforte der körperlichen Energie
und der Inkarnation bezeichnet. Kinder in den ersten vier Lebensjahren zeigen
oft typische Erkrankungen mit Bezug zum Nierenfunktionskreis. Dazu zählen Erkältungen,
Bronchitiden, Asthma, Neurodermitis und trockene Ekzeme. Das Grundmittel zur
Stärkung der Konstitution und zur Inkanation ist Renes Equisetum (Wala).
Emotionen der Nieren
Die Nieren stehen für den Beginn und das Ende eines Lebenszyklus. Sie bergen die Lebensgrundlage in sich und sichern das Überleben. Angst ist eine Emotion, die zur Wahrung des Lebens dazugehört. Angst ist der Gegenpol zu Sicherheit und Geborgenheit. Werden Ängste übermächtig, verselbstständigen sie sich und bleiben ungelöst, dann kann es als Folge einer Nervenschwäche zu körperlichen Erscheinungen, wie z. B. Schwerhörigkeit, Hörsturz, Tinnitus, Asthma, Allergien, Abwehrschwäche und Rückenproblemen, kommen. Steigert sich die Angst, etwa zu Platzangst, Existenzangst oder sozialer Angst, kann sie sich in nahezu unerträgliche Panikattacken ausweiten.
Als paariges
Organ gehört zu den Nieren das Thema „Partnerschaft und Beziehung“.
Freundschaft und Liebe verbinden die Menschen und aktivieren die Energien, die
eine gesunde Nierenfunktion ermöglichen. Insbesondere Beziehungsverluste durch
Tod oder Trennung können die Nierenfunktion stark beeinträchtigen. In diesem
Fall verordne ich Ceres Solidago Urtinktur. Es ist die Pflanze, die behilflich
ist, das zusammenzufügen, was zusammengehört, manchmal auch auf höherer Ebene.
Nierenwerte im Laborbefund
Für die Funktion
der Nieren wird im Labor routinemäßig das Kreatinin untersucht. Um die Funktion
der Nieren genau zu erfassen, ist es allerdings erforderlich, weitere Parameter
zu bestimmen.
Kreatinin
Kreatinin ist ein Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels, das über die Nieren ausgeschieden wird. Nach aktuellem Wissensstand hat es keine eigene Funktion. Die Höhe des Kreatinins im Blut ist abhängig von der Muskelmasse und der Muskelaktivität. Daher haben muskulöse Menschen erhöhte und ältere Menschen, die sich wenig bewegen, unabhängig von der Nierenleistung, erniedrigte Werte Im Blut. Das ist bei der Beurteilung des Kreatinins zu berücksichtigen.
Zur Früherkennung
von Nierenbelastungen ist Kreatinin nicht geeignet. Zur Bestimmung der
Nierenleistung ist das körpereigene Protein Cystatin C ein verlässlicher und früh
reagierender Nierenwert. Er sollte bei allen Patienten mit Nierenproblemen,
Sportlern und Menschen mit Bewegungseinschränkung anstelle von Kreatinin
untersucht werden.
Unabhängig von
den Nieren können auch andere Einflüsse Kreatinin erhöhen. Dazu zählen
unter anderem ausgeprägte Muskelverletzungen, Zerfall von Muskelgewebe infolge
von Drogenmissbrauch, Alkohol oder der Einnahme von Cholesterinsenkern.
Reduzierte
Kreatininwerte sind in der
Regel kein Hinweis auf eine Erkrankung. Werte unterhalb der Norm finden wir bei
Abnahme der Muskelmasse, zu Beginn der Schwangerschaft und bei stark
abgemagerten Menschen.
Harnstoff
Wird im Körper
Eiweiß abgebaut, entsteht über das giftige Zwischenprodukt Ammoniak. Es wird in
der Leber in den ungiftigen Harnstoff umgebaut. Erhöhte Werte können ein
Hinweis auf eine Nierenfunktionsstörung oder eine vermehrte Ammoniakbildung
aufgrund eines alkalischen Darms oder vermehrter Eiweißzufuhr sein.
Zu einem
Anstieg des Harnstoffspiegels im Blut kann es auch durch fieberhafte
Erkrankungen, Operationen, Verbrennungen, Abbau von Gewebe bei
Krebserkrankungen oder Hungerzuständen kommen.
Cystatin C
Cystatin C ist
ein Eiweiß und wird von den meisten kernhaltigen Körperzellen in relativ
konstanter Rate produziert. Ausgeschieden wird es ausschließlich über die
Nierenfiltration. Somit hängt die Konzentration im Blut hauptsächlich von der glomerulären
Filtrationsleistung der Niere ab. Das macht die Substanz zu einem guten und
sensiblen Marker für die Nierenleistung. Erhöhte Werte im Laborbefund sind
Hinweise auf eine Niereninsuffizienz oder Autoimmunerkrankungen. Im Labor wird
aus dem Cystatin C altersentsprechend die GFR (glomeruläre Filtrationsrate)
errechnet.
· GFR >89 ist eine normale Nierenfunktion
· GFR 60-89 ist eine milde Funktionseinschränkung der Nieren
· GFR 30-59 ist eine moderate Funktionseinschränkung der Nieren
· GFR 15-29 ist eine schwere Funktionseinschränkung der Nieren
· GFR <15 bedeutet chronisches Nierenversagen
Elektrolyte
Wie wichtig Eisen für die Entgiftung und Kupfer für die Rückresorption in
der Niere ist, habe ich bereits beschrieben. Zur richtigen Einschätzung der
Verhältnisse im Organismus werden dafür Ferritin (Speichereisen) in Verbindung
mit dem C-Reaktiven Protein (ist bei Entzündungen erhöht) sowie Eisen und
Kupfer im Vollblut untersucht.
Ursachen für Nierenversagen
Akutes Nierenversagen kann durch einen Schock mit Blutdruckabfall oder Blutverlust, durch akute Schädigung der Nieren aufgrund von Giftstoffen, Medikamenten oder Chemikalien oder durch Entzündungen der Nieren verursacht werden.
Die häufigsten
Ursachen, die zu einem chronischen Nierenuntergang führen, sind
Nierenentzündungen, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Bluthochdruck
(Hypertonie) und angeborene Zystennieren.
Cinis Equiseti
arvensis Trit. D6 (Weleda) ist
ein Aschepräparat aus Ackerschachtelhalm. Es unterstützt die Nierenfunktion bei
fortgeschrittener Niereninsuffizienz bis hin zur Dialysenotwendigkeit. Positive
Beobachtungen wurden auch bei gleichzeitig vorliegender, beginnender Demenz
gemacht. Das Wesen des Schachtelhalms ist gekennzeichnet durch die Beschränkung
auf das absolut Notwendige, auf das Gerüst, auf die Struktur. Im Schachtelhalm
sind diejenigen Kräfte verkörpert, die für eine klare Gliederung und
Strukturierung des Denkens und der Formbildeprozesse erforderlich sind. Struktur,
Klarheit und Festigkeit ist das Thema des Nierenfunktionskreises.
Was tut den Nieren gut?
Reines Wasser ist die beste Medizin für die Nieren. Sie benötigen pro Tag etwa 1,7 Liter Flüssigkeit.
Die optimale Ernährung
für die Niere richtet sich nach dem Zustand des Nierengeschehens. Bei eingeschränkter
Nierenfunktion ist es wichtig, im Labor die Elektrolyte im Vollblut zu
überprüfen. Bei einem erhöhten Phosphatspiegel im Blut sollten möglichst wenig
phosphatreiche Nahrungsmittel, z.B. Käse und geräucherte Lebensmittel, zu sich
genommen werden.
Ist die
Nierenfunktion stark eingeschränkt, wird allgemein empfohlen, die Eiweißzufuhr
zu begrenzen. Das hängt mit der Ammoniakbildung und der daraus sich ergebenden
Nierenbelastung zusammen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der
Stoffwechsel auf die Zufuhr essenzieller Aminosäuren angewiesen ist.
Die beste
individuelle Grundversorgung ist über das Stoffwechselprogramm von „gesund +
aktiv“ gewährleistet. Es berücksichtigt neben der genetischen und
epigenetischen Stoffwechselprägung auch die aktuelle die Nierenfunktion. Bei
starker Niereneinschränkung empfiehlt „gesund + aktiv“, die Eiweißmenge zu
reduzieren und die Zufuhr essenzieller Aminosäuren durch Nahrungsergänzungsmittel,
wie z. B. AMINO BALANCE von NewLife nutrition (es besteht aus den 8
essenziellen Aminosäuren), auszugleichen. Patienten, die auf eine
Dialyse angewiesen sind, sollten sich eiweißreich ernähren und ergänzend
essenzielle Aminosäuren zu sich nehmen, da durch die Dialyse ein erhöhter
Eiweißverlust auftritt.
Ingwer-Nierenwickel
Wer ständig kalte Füße und ein großes Wärmebedürfnis im Beckenbereich hat, sollte häufiger einmal den Ingwer-Nierenwickel anwenden. Der wärmende Ingwer regt die Nieren und die Nebennieren an und verleiht seelische Ausdauer. Vor allem nach seelischer Überlastung wirken Ingwer-Nierenwickel entstauend auf die Gefühlswelt.
Dieser Wickel
kann ambulant oder zu Hause von einer Pflegekraft oder einem Angehörigen (nicht
vom Patienten selbst) angewendet werden. Benötigt werden Ingwerpulver,
Innentuch (Leinen), Frotteetuch, Wärmflasche, Wickeltuch und Lavendelöl.
2 Teelöffel
Ingwerpulver in 250 ml heißem Wasser gut verrühren. Das Innentuch gleichmäßig
tränken, auswringen und über die Nieren legen. Dann das Frotteetuch und eine
Wärmflasche darüberlegen und das Ganze mit einem Wickeltuch bedecken. Nach etwa
20–30 Minuten den Wickel abnehmen und auf die Haut etwas Lavendelöl auftragen.
Anschließen noch 20 Minuten Ruhe einhalten.
Ruhe und Entspannung
Stress und
Überforderung mag die Niere überhaupt nicht. Sie ist ein seelisch empfindliches
Organ, was in der Redewendung „es geht mir an die Nieren“ zum Ausdruck kommt.
So ergibt sich der wichtigste Alltagstipp für den Funktionskreis Niere/Blase:
Erholung und Rückzug ist Balsam für die Nieren.
Autor: Lothar
Ursinus
Beitrag 106
Erschienen Februar 2023
Literatur:
R. und H. Kalbermatten: Pflanzliche Urtinkturen, AT
Aurau
O. Koob: Wenn die Organe sprechen könnten, Mayr, Stuttgart
L. Ursinus: die Organuhr leicht erklärt, Schirner Verlag
L. Ursinus: Mein Blut sagt mir.., Schirner Verlag
Heinz-Hartmut Vogel: Wege der Arzneimittelfindung,
Verlag Natur, Mensch, Medizin: